Warum ist das HS-Code Verzeichnis nicht genderneutral?

Hosen für Mädchen werden anders tarifiert als Hosen für Jungs. Warum das?

Warum werden lange Hosen für Mädchen anders tarifiert als solche für Jungs? 👖
Ist dies nach heutiger Betrachtung nicht längst überholt? 🩷 💙
Die Frage scheint berechtigt.
Soviel kann ich verraten: Mit Sexismus hat das nichts zu tun. ⚧️

Im Zolltarif sind grundlegend die zwei Punkte relevant: Material / Beschaffenheit und Verwendungszweck. Grundsätzlich ist und  bleibt ja aber eine Hose aus Baumwolle eine Hose aus Baumwolle, egal wer sie trägt. Und am Zweck ändert sich im Grunde auch nichts.
Doch weshalb nun die Unterscheidung? 🤷‍♀️
 
➡️ Zollabgaben: Frauenkleidung gilt seit dem 20. Jh. als eher WERTVOLLER, wurde generell als aufwändiger verarbeitet wahrgenommen als Männerkleidung, was sie mehrheitlich teurer machte. Damit die Herstellungsindustrien, welche sich nur auf die Herstellung für Kleidung des einen Geschlechts spezialisiert haben, länderspezifisch gezielter geschützt werden konnten, bedarf es zwei verschiedene Zolltarifnummern - um zwei verschiedene Zollansätze zu verhängen.

💡 Der Grossteil der Länder erhebt Zölle auf den Wert (Bemessungsgrundlage). Die Schweiz ist so gesehen eine Exotin, sie wendet den Zollansatz auf das Bruttogewicht pro 100kg an.

➡️ Nicht zuletzt: Statistische Zwecke zur Analyse von Warenströmen.

Sinn und Zweck von Zolltarifnummern sind vielseitig, so auch ihre handelspolitischen Hintergründe.
Im Textilbereich sind die Hintergründe in der Schweiz besonders interessant:
In der Schweiz wurden seit jeher Zölle auf bestimmte sog. Industriegüter erhoben, bis zum politischen Entscheid zur Aufhebung der Industriezölle per 01. Januar 2024. Bis zuletzt waren diese "Industriezölle" eher tief oder bereits ganz verschwunden, ausser im Textibereich, was längst nicht mehr zeitgemäss war. Die Textilbranche hat sich schon lange für die Senkung der Zölle stark gemacht - mit dem Erfolg, dass auf einige Textilien, noch vor der Industriezollabschaffung vor gut einem Jahr, die zuvor saftigen Zölle erlassen wurden. Nicht so für fertige Bekleidung teilweise: So wurden noch im Dezember 2023 Zölle auf Hosen für Jungs von CHF 182.- pro 100kg (HS-Code: 6203.42) und auf solche für Mädchen von CHF 222.- resp. 302.-, abhängig vom Stückgewicht (HS-Code 6204.62) erhoben bei dem Import in die Schweiz aus der EU.


Über die höheren Zollabgaben für Mädchenhosen kann man sich nun wundern, mit Seitenblick auf die Gleichberechtigung - die Konsumentin wird davon jedoch kaum was gespürt haben preislich beim Shopping 🛍️ 😉.

Wie bereits einleitend vermerkt orientiert sich jedoch der Aufbau und Inhalt des harmonisierten Zolltarifs zum Glück wirtschaftspolitisch und nicht gesellschaftspolitisch.


Übrigens: Die zolltarifarische Einreihung bei Kleidern ist im Fall von Hosen für das weibliche oder männliche Geschlecht delikat. Sie folgt nicht immer den Regeln des Hausverstands, sondern denen der Weltzollorganisation, die lauten:


Zitat aus Anm. 9 zu Kapitel 61. 

"Bekleidung dieses Kapitels, die auf der Vorderseite einen links über rechts schliessenden Verschluss aufweist, gilt als Bekleidung für Männer oder Knaben; solche, die auf der Vorderseite einen rechts über links schliessenden Verschluss aufweist, wird als Bekleidung für Frauen oder Mädchen eingereiht. Diese Bestimmungen gelten nicht in dem Fall, wo der Schnitt eines Kleidungsstückes eindeutig anzeigt, dass es für das eine oder das andere Geschlecht bestimmt ist.

Bekleidung, die nicht als Männer- oder Knabenkleidung oder als Frauen- oder Mädchenkleidung erkennbar ist, wird als Bekleidung für Frauen oder Mädchen eingereiht."


Diese Anmerkung sorgt gerne für Verwirrung - verständlicherweise - und liesse sich tatsächlich zeitgemässer formulieren.


#swisstextiles

#Zölle

#Zolltarif

#HSCode

#genderneutral

#hscodesupport

7. April 2025
Die grosse Chance von KI im Bereich Trade Compliance.